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Stand 15.02.2014

Platzierung im Hauptstudium des modularisierten SJ: HS II M 14

1. Daten der neuen Dublin III-Verordnung

Durch die VO (EU) Nr. 604/2013 (ABl.-EU L 180/31 v. 29.06.2013) - Dublin III-VO - wird die bisherige Dublin II-Verordnung VO (EG) Nr. 343/2003 aufgehoben und ersetzt (Art. 48 Satz 1 Dublin III-VO). Weiterhin werden Art. 11 I, 13, 14, 17 Dublin II-Durchführungsverordnung VO (EG) Nr. 1560/2003 aufgehoben (Art. 48 Satz 2 Dublin III-VO).

Die offizielle Bezeichnung lautet:

Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl.-EU L 180/31 vom 29.06.2013).

2. Ausdehnung auf internationalen Schutz

Mit "Dublin III" wird die Einführung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) eingeleitet und die geplante Ausdehnung des Dublin-Zuständigkeitssystems über Asylanträge hinaus auf Anträge auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 h RL 2011/95/EU (ABl.-EU L 337/9 v. 20.12.2011) umgesetzt. Anträge auf internationalen Schutz umfassen
- Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK und
- Anträge auf subsidiären Schutz (nachrangigen oder behelfsmäßigen Schutz) im Sinne von Art. 15 RL 2011/95/EU.

3. Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich

Die VO (EU) Nr. 604/2013 gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark.

Die VO ist am 19.07.2013 in Kraft getreten (Art. 49 Satz 1 Dublin III-VO).

Sie findet Anwendung auf alle Anträge auf internationalen Schutz ab 01.01.2014. Für davor gestellte Anträge findet unverändert die Dublin II-VO (EG) Nr. 343/2003 Anwendung (Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO).

Solange Dänemark sowie die Schengen-assoziierten Nicht-EU- und bisherigen Dublin II-Anwender-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz die neue VO noch nicht als innerstaatliches Recht einführen, findet insoweit unverändert die Dublin II-VO Anwendung.

4. Zuständigkeitskriterien

Besonders hervorgehoben werden in der VO (EU) Nr. 604/2013 das Recht des Drittstaatsangehörigen auf Information über das Dublin-System (Art. 4), der persönliche Umgang mit dem Drittstaatsangehörigen (Art. 5) und der Minderjährigenschutz (Art. 6 Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien entsprechen weitgehend unverändert denen der Dublin II-VO. Gem. Erwägungsgrund Nr. (9) Dublin III-VO werden die bisherigen Dublin-Prinzipien bestätigt.

Diese sind mit den Artikeln der alten und neuen VO gem. der Entsprechenstabelle in Anhang II der VO (EU) Nr. 604/2013:

ZuständigkeitskriteriumDublin II-VO
VO (EG) Nr. 343/2003
Dublin III-VO
VO (EU) Nr. 604/2013
Unbegleitete MinderjährigeArt. 6Art. 8
FamilienzusammenführungArt. 7, 8, 14Art. 9, 10, 11
Ausstellerstaat AufenthaltstitelArt. 9 IArt. 12 I
Ausstellerstaat VisumArt. 9 IIArt. 12 II
Illegale ErsteintreiseArt. 10Art. 13
Visumfreie ErsteinreiseArt. 11Art. 14
Erstantrag im TransitbereichArt. 12Art. 15
Hilfsweise ErstantragsstaatArt. 13Art. 3 II
SelbsteintrittsrechtArt. 3 IIArt. 17 I

5. Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren

Das Aufnahmeverfahren ist in Art. 21-22, das Wiederaufnahmeverfahren in Art. 23-25 Dublin III-VO geregelt. Die Überstellung selbst erfolgt unverändert nach Art. 7 der bisherigen Dublin II-Durchführungsverordnung VO (EG) Nr. 1560/2003, die nach Art. 48 Satz 2 Dublin III-VO nur zum Teil aufgehoben wird.

Neu ist die Erweiterung der Fristen für Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuch:
- 3 Monate ab Antragstellung (Art. 21 I Satz 1 Dublin III-VO);
- 2 Monate ab Eurodac-Treffermeldung (Art. 21 I Satz 2 Dublin III-VO);
- 1 Monat ab Antragstellung in Haftsachen (Art. 28 III Satz 2 Dublin III-VO).

6. Dublin-Überstellung

Nach der weiterhin bestehenden Regelung des Art. 7 Dublin II-DVO erfolgt die Überstellung durch
- (1) eigeninitiierte Ausreise des Dublin III-Rückkehrers
- (2) oder begleitete Ausreise eines Dublin III-Rückkehrers
- (3) und erst als letztes Mittel im Wege der zwangsweisen Rückführung. In den Fällen (1) und (2) wird ein Laissez-Passer zur Ausreise und Einreise in den zuständigen Dublin III-Staat ausgestellt. Im deutschen Gesetz findet sich nur die zwangsweise Überstellung nach Fall (3) in §§ 18 III, 34a AsylVfG, § 57 II -2. Halbsatz- AufenthG. Die Rückkehrarten nach (1) und (2) haben aber Vorrang und müssen unter unmittelbarer Anwendung des EU-Rechts realisiert werden.

Bilaterale Grenzabkommen iSv. Art. 36 Dublin III-VO (bisher Art. 23 Dublin II-VO) bestehen nach dem Dubliner Übereinkommen und unter Anwendung der Dublin II-VO mit
- Dänemark,
- Österreich,
- Schweden (ausgesetzt)
- und der Tschechischen Republik.
Ob diese Abkommen beibehalten werden und ggf. angepasst werden, steht noch nicht fest.

7. Freiheitsentziehung

Erhöhte Anforderungen sind vorgesehen für die Haft zur Durchführung der Überstellung. Das Dublin III-Verfahren selbst rechtfertigt keine Haft (Art. 28 I), sondern nur das Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr (Art. 28 II). In diesem Fall hat die Haftdauer so kurz wie möglich zu sein und ist das Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahren als Dringlichkeitsfall mit verkürzten Fristen zu behandeln, deren Nichteinhalten zur Entlassung aus der Haft führen (Art. 28 III Dublin III-VO).

Nach der Rechtsprechung zur derzeitigen Rechtslage setzt eine Haftanordnung einen zulässigen Haftantrag voraus. Dieser muss Angaben enthalten zum Zielstaat der Ausreisepflicht und damit zu dem für zuständig gehaltenen Dublin-Staat, damit also auch zur Begründung der Zuständigkeit des betreffenden Dublin-Staates (BGH NJW 2012, 2448; BGH, Beschl. v. 26.01.2012 - V ZB 235/11; BGH, Beschl. v. 08.11.2012 - V ZB 120/12; BGH, Beschl. v. 06.12.2012 - V ZB 118/12; LG FRankfurt/Oder, Beschl. v. 05.02.2013 - 15 T 9/13). Ist diese Aussage nicht möglich darf nur ein Antrag auf vorläufige Freitsentziehung nach § 427 FamFG gestellt werden - selbst im Falle eines einzigen Eurodac-Treffers kann damit noch nicht unbedingt mit Sicherheit der zuständige Dublin-Staat festgestellt werden.

8. Rechtsschutz

Bereits nach gegenwärtiger Rechtslage ist eine Dublin-Rückführung unzulässig, wenn die Behörden des ersuchenden Staates es unterlassen, dem Drittstaatsangehörigen gem. Art. 19 I, 20 I f) Dublin II-VO / Art. 26 I, II Dublin III-VO vorgeschriebene Mitteilung über die Aufnahme oder Wiederaufnahme in dem zuständigen Dublin-Staat auszuhändigen oder diese erst so spät und unmittelbar vor der Überstellung aushändigen, dass der Asylsuchende kein Rechtsmittel mehr einlegen kann (OVG Münster, Beschl. v. 26.02.2013 - 18 B 572/12).

In Art. 27 Dublin III-VO ist ausdrücklich die innerstaatliche Regelung eines Rechtsmittelverfahrens vorgeschrieben. Die verschiedenen Möglichkeiten des Rechtsschutzes sind in Art. 27 III a)-c) Dublin III-VO vorgesehen. In Deutschland ist dieser Rechtsschutz umgesetzt worden, indem § 34a AsylVfG angepasst wurde: Gem. § 34a II Satz 1 AsylVfG neuer Fassung ist ein innerhalb einer Woche seit Bekanntgabe der Überstellungsentscheidung zu stellender Eilantrag nach § 80 V VwGO zulässig. Die bisherige Aussetzung der aufschiebenden Wirkung wird gestrichen. Die Dublin-Rückführung ist gem. § 34a II Satz 2 AsylVfG bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung  unzulässig.

9. Dublin-Rückführungsstopp in einzelne EU-Staaten

Mit der Beibehaltung der Zuständigkeitskriterien bleibt auch unverändert das Problem bestehen, dass über die illegale Ersteinreise über die Außengrenze (Art. 10 Dublin II-VO, Art. 13 Dublin III-VO) besonders die EU-Staaten mit Randlage belastet sind und mit der Durchführung der Asylverfahren ihre Kapazitätsgrenzen erreichen. In Bezug auf Dublin II-Rückführungen liegen zahlreiche Fälle gerichtlichen Rechtsschutzes gegen Dublin II-Überstellungen vor.

In Fällen, in denen die Griechenland - i.d.R. gem. Art. 10 I VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO) - für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, gewährt die Rechtsprechung in der Regel einstweiligen (in einem Fall auch im Hauptsacheverfahren) Rechtsschutz gegen die Zurück-/Abschiebung nach Griechenland nach § 18 III bzw. § 34a I AsylVfG, da aus UNHCR-Berichten hervorgeht, dass in Griechenland infolge Überlastung und zu geringer administrativer Kapazitäten kein der EU-Aufnahmerichtlinie RL 2003/9/EG über Mindeststandards zur Behandlung von Flüchtlingen entsprechendes Asylverfahren gewährleistet ist. Vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 = NVwZ 2009, 1281; BVerfG, Beschl. v. 09.10.2009 - 2 BvQ 72/09; BVerfG, Beschl. v. 05.11.2009 -2 BvQ 77/09; BVerfG, Beschl. v. 13.11.2009 - 2 BvR 2603/09; BVefG, Beschluss vom 25.02.2010 - V ZB 172/09; VG Gießen InfAuslR 2008, 327; VG Berlin, Beschl. v. 27.02.2009 - VG 34 L 57.09; VG Würzburg, Urt. v. 10.03.2009 - W 4 K 08.30122; VG Frankf./O., Beschl. v. 06.01.2010 - 7 L 319/09.A. Verschiedene VGe gehen von einem subj. Anspruch des Asylsuchenden auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch das BAMF gem. Art. 3 II Dublin II-VO und einer diesbezügl. Ermessensreduzierung in Griechenland-Fällen aus. Vgl. VG Würzburg, Urt. 10.03.2009 (Az. s.o.); VG Frankf./M. NVwZ 2009, 1176 (1177); OVG Münster, Beschl. v. 07.10.2009 - 8 B 1433/09.A; VG Arnberg, Beschl. v. 15.12.2009 - 8 L 699/09.A; VG Frankf./O., Beschl. v. 03.02.2010 - 5 L 314/09.A.
Durch EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10 - InfAuslR 2012, 108 - wird klargestellt, dass Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU die EU-Staaten verpflichtet, von der Dublin II-Überstellung in den nach der VO (EG) Nr. 343/2003 zuständigen Staat abzusehen, wenn allgemein bekannt ist, dass dort systematische Missstände im Asylverfahren und in den Aufnahmebedinungen für Asylsuchende mit der Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbunden ist.
Zur Entscheidung über eine Dublin-Überstellung in einen anderen Dublin-Anwenderstaat gehört auch die Gewissheit, dass dieser keine Weiterüberstellung nach Griechenland vornehmen wird - im konkreten Fall Norwegen (VG Augsburg, Urt. v. 29.11.2013 - Au 6 K 13.30252).

Für Dublin II-Fälle in Bezug auf Italien wurde Rechtsschutz gegen Dublin II-Rückführungen gewährt durch VG Darmstadt, Beschl. v. 11.01.2011 -4 L 1889/10.DA.A; VG Köln, Beschl. v. 10.01.2011 - 20 L1920/10.A und 11.01.2011 - 16 L 193/A; VG Magdeburg, Beschl. v. 28.03.2011 - 9 B 101/11; VG Wiesbaden, Beschl. v. 12.04.2011 - 7 L 303/11.WI.A; OVG Münster, Beschl. v. 01.03.2012 - 1 B 234/12.A; VG Regensburg, Beschl. v. 27.03.2012 - RN 9 K 11.30441; VG Magdeburg, Beschl. v. 17.07.2012 - 9 B 148/12; offen gelassen, aber einstweiligen Rechtsschutz zugesprochen: VG Meiningen, Beschl. v. 24.02.2011 - 2 E 20040/11 Me; VG Berlin, Beschl. v. 24.02.2011 - 34 L38.11A).

Als eindeutiger Fall, in dem Italien kein der GFK und der RL 2003/9/EG entsprechendes Asylverfahren zu gewähren bereit war, wurde die nach der EU-Rückführungsrichtlinie RL 1008/115/EG erlassene Aufforderung eines Asylsuchenden zur Ausreise aus Italien angesehen und daher Rechtsschutz gegen die Dublin II-Rückführung gewährt (VG Frankfurt/M. NVwZ-RR 2012, 45 (46)).

Rechtsschutz gegen Rückführungen nach Italien abgelehnt haben OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.01.2014 – 4 LA 167/13; VG München, Beschl. v. 10.10.2011 - M 22 E 11.30823; VG München, Beschl. v. 21.02.2011 - M 11 E 11.30057; VG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.10.2011 - 12 L 2882/11.F.A; VG Regensburg, Beschl. v. 20.07.2012 - RN 5 S 12.30230); VG Stade, Beschl. v. 01.10.2012 - 6 B 2303/12; VG Ansbach, Beschl. v. 26.11.2013 – AN 1 S 13.31045; VG Oldenburg, Beschl. v. 21.01.2014 – 3 B 6802/13.

In Einzelfällen wurde inzwischen einstweiliger Rechtsschutz auch gegen Dublin II-Rückführungen nach Malta (VG Magdeburg, Urt. v. 16.05.2012 - 5 A 328/11; anderer Auffassung: VG Trier, Beschl. v. 06.08.2012 - 5 L 829/12.TR) und Ungarn gewährt (VG Stuttgart, Beschl. v. 02.04.2012 - 11 K 1039/12; VG Trier, Urt. v. 30.05.2012 - 5 K 967/11.TR) gewährt. 

Stand 15.02.2014

 
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